Hallstatt: Gasfreundliches Weltkulturerbe

Ohne Zweifel, Hallstatt zählt zu den schönsten Orten Österreichs. Nicht umsonst wurde der Ort zum Weltkulturerbe ernannt. Der Ort versteht sich; die Gastronomie läßt postkommunistische Erinnerungen wach werden. Hallstatt in vier Akten.Weinglas

1. Akt - Restaurant am See: Wir sitzen zu viert am See und möchten, für die Gegend typischen Fisch essen. Der Hallstätter See ist berühmt für seine Fische. Alle Fische am Teller, so stellen wir kollektiv fest, schmeckt weder gut, noch schlecht, sondern schlicht, gar nicht. Die dazugehörigen Erdäpfel sind nicht als solche zu erkennen. Die Frage des Kellners („hat‘s geschmeckt“) wird höflich aber ehrlich beantwortet. Unser erster Fehler.
Auftritt der Juniorchefin in heimischer Tracht. Sie erklärt uns, die Diskussion in der Küche hätte ergeben, daß wir alle uns irren. „Fisch schmeckt eben wie Fisch!“ Wir Landratten sehen es ein, sind zerknirscht und entschuldigen uns, daß uns der Fisch nicht geschmeckt hat.
Der Appetit auf die Nachspeise am See ist uns vergangen. Wir ziehen uns in unser Gasthaus zurück.

2. Akt – Gasthaus am Platz, 21.30 Uhr: Der Gastraum ist leer (was, wie wir später lernen sollten, um diese Zeit typisch für die Gegend ist). Die Wirtin sitzt mit dem Personal beim Abendessen. Die Frage, ob wir noch etwas trinken und eine Nachspeise aus der Vitrine haben könnten wird als Beleidigung aufgefaßt. Wirtin: „Was glauben’s, wir arbeiten schließlich den ganzen Tag. Jetzt ist Schluß!“ Mit viel List und freundlicher Überredungsgabe ergattern wir schließlich eine Flasche Wein und dürfen im Frühstücksraum eine Partie Karten spielen.

Knapp vor 22.00 Uhr - Auftritt zweier verzweifelter, hungriger Gäste aus Deutschland. Der Mann, vorsichtig an unseren Tisch kommend: „Wissen Sie, ob es hier im Ort noch irgendwo etwas zu essen gibt?“ Wir schauen auf die Uhr, knapp nach 22.00 Uhr! Und obwohl ein Einheimischer am Tisch sitzt, können wir ihm nicht helfen. Die beiden müssen hungrig ins Bett.

3. Akt – Cafe am Platz; Regentag: Im Cafehaus suchen zahlreiche Gäste Schutz vor dem Regen. Einige Tische sind noch frei. Wir versuchen ein Mittagessen zu erkämpfen. Aber wir haben nicht mit der Kellnerin gerechnet. Nachdem sie uns vorerst einfach ignoriert, machen wir den entscheidenden Fehler. Einer in der Gruppe erlaubt sich, vorsichtig, kommentarlos und etwas verstohlen, die Hand leicht zu heben, um auf uns aufmerksam zu machen. Die Kellnerin fühlt sich provoziert. Kellnerin, für alle im Lokal unüberhörbar: „Was wollt’s denn, ihr seid‘s eh erst gekommen!“ Dafür werden wir mit weiterer Ignoranz gestraft.

Endlich. Auftritt der Kellnerin. Ich werde sofort ausgeschaltet. Meine Bestellung wird mit einem knappen „is aus!“ zurückgewiesen. Der verzweifelte Versuch einer Freundin, einen frisch gepreßten Karottensaft (er stand groß auf der Karte) zu bestellen wird ebenfalls abgeschmettert. Kellnerin lapidar: „Gibt‘s nur bei Sonnenschein!“ Die vorsichtige Nachfrage, warum es Karotten nur bei schönem Wetter gibt, läßt die freundliche Bedienung völlig ausrasten. Beim Abgang klärt sie uns wenigstens auf, daß die Saftmaschine nur bei schönem Wetter im Freien in Betrieb genommen wird. Wir kennen uns aus, Essen bekommen wir trotzdem keines. Beim Ausgang erzählt uns, ganz heimlich versteht sich, ein Ehepaar aus Deutschland eine Episode, die offensichtlich für die Gegend normal scheint. Die beiden Radler wollen nach dem Einkauf in der einzigen Shell-Tankstelle Hallstatts die Fahrräder mit dem Schlauch reinigen. Der Tankwart trocken: „Heute is Feiertag und am Feiertag dreh i des Wasser sicher nicht auf!“

4. Akt – Letztes Lokal im Ort; Mittag: Freundliche Bedienung, etwas langsame Küche. Aber was soll’s: man wird bescheiden, beklagt sich nicht. Auf dem Weg zur Toilette wird in mehreren Schaukästen politische Bildung betrieben. Hakenkreuzfahnen, Mutterkreuze, Pistolen, Granaten und zahllose Insignien aus der Zeit zwischen 1938 und 1945. Zwei große Emailschilder zeigen, wo man sich befindet. Neben schwarzem Hakenkreuz im weißen Kreis die Aufschrift: „Hier verkehrt der Nationalsozialist“

Weltkulturerbe eben.

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